Jedenfalls bestanden derartige Logen von Freimaurern, die also mit der Zunft wenig mehr zu tun hatten, die sich auch gar mehr in der Zunfthalle der Freimaurer, sondern in Tavernen versammelten, gegen Ende des 17. Jahrhunderts. Sie scheinen sogar in ziemlichem Verfall gewesen zu sein, denn der hochgelehrte Dr. William Stukeley schreibt in seinem Tagebuch, dass er 1717 aufgenommen wurde, da? er die erste Person gewesen sei, die seit vielen Jahren zum Freimaurer gemacht wurde, und da? man Mühe hatte, genug Mitglieder für die Zeremonie zu bekommen. Anderson schreibt die Schuld für diesen Niedergang dem berühmten Baumeister Londons und der St. Pauls-Kathedrale, Christopher Wren, zu, der die Logen vernachlässigt habe. Nun ist die Zugehörigkeit Wrens zum Bund mehr als strittig. Tatsache ist, dass die Logen eine Periode des Niedergangs durchmachten, und da? sie aus einer Zentralisierung der Leitung sich Vorteile für die Gemeinschaft versprachen. Diese Versuche bis auf das Jahr 1716 zurück. Nachdem man in einer Zusammenfassung der Meister einer Art leitende Organisation geschaffen habe, ging man zu höheren Einheitsstufe, der Großloge, über. Am 24. Juni 1717 traten in der Taverne „Goose and Gridiron“ („Zur Gans und zum Bratrost“) vier Logen, die sich nach ihren Versammlungsorten benannten, und zwar „Zur Gans und zum Bratrost“, „Zum Römer und zur Traube“, „Zur Krone“ und „Zum Apfelbaum“ zusammen und gründeten nach den Berichten eine Großloge, indem sie einen Großmeister unter sich wählten, bis ihnen die Ehre zuteil werden sollte, einen adeligen Br. an die Spitze zu stellen. Durch Handmehr wurden gewählt Anthony Sayer, Gentleman, zum Großmeister, zu Großaufsehern Jacob Lamball, Zimmermann, und Kapitän Joseph Elliot. Bezeichnenderweise ist also unter den ersten Grobheiten kein Steinmetz mehr. Die Großloge nannte sich „Großloge von London und Westminster“, hatte also damals noch keinerlei imperialistische Absichten. Allerdings stammt der Bericht aus dem Jahre 1738, und Anderson ist ein etwas unzuverlässiger Historiker. Vielleicht ist die Bezeichnung Großloge und Großmeister daher auch späteren Datums. Die folgenden Großmeister sind der Steuersekretär George Payne (1718), dem im Jahre 1719 Dr. Desaguliers folgt. 1720 ist Payne wieder Großmeister, der 1721 vom ersten adeligen Großmeister, dem Herzog von Montagu abgelöst wird. Mit dieser Wahl beginnt ein neues Kapitel der englischen Freimaurergeschichte. Es dürfte Dr. Desaguliers gewesen sein, der den ihm aus der Royal Society bekannten Herzog zur Übernahme des Großmeisterhammers veranlasst haben dürfte. Damit hatte die Freimaurerei gesellschaftlich Fuss gefast. Der englische Hochadel begann sich für die Bruderschaft zu interessieren, und die Stelle des Großmeisters wurde begehrenswert, denn Montagus Nachfolger, der Herzog von Wharton, drängte sich der Großloge geradezu auf, als er 1722 zum Großmeister gewählt wurde. Die Art, wie er sich benahm, und das gewisse Ressentiment, das er gegen den Bund behielt, lassen auf verletzte Eitelkeit schließen. Jedenfalls war die Freimaurerei nunmehr in England gesellschaftlich gesichert. Seit 1721 stehen ausschließlich Mitglieder des englischen Hochadels oder Mitglieder des Königlichen Hauses an der Spitze der Großloge. Der Erfolg der Freimaurerei wurde in den Anfangsjahren gekrönt durch die Aufnahme des Prinzen Friedrich Ludwig Von Wales (1737). Die ersten Jahre des neugeschaffenen und zu überraschenden Aufstiegs gelangten Körperschaft sind naturgemäß dem Ausbau gewidmet. Nachdem bereits Großmeister Payne alte Akten der früheren Logen vorgelegt hatte, gab nach der Darstellung Andersons der Herzog von Montagu den Auftrag, aus diesen alten Gotischen Konstruktionen eine neue für die Großloge anzufertigen. Mit dieser Arbeit wurde der Reverend Anderson betraut, der schließlich ein Manuskript ablieferte, das den Titel führte: „The Constitution, History, Laws, Charges, Orders, Regulations and Usages of the Right Worshipfull Fraternity of Accepted Freemasons collected from the general Records an their faithful Traditions of many Ages“.

Dieses Werk, zu dem der geistig bedeutende Dr. Desaguliers, die stärkste Persönlichkeit des „Revival“ der Freimaurerei, die dem Herzog von Montagu zugeeignete Widmung schrieb, wurde unter der Grossmeisterschaft des Herzogs von Wharton genehmigt und bildet die für die moderne Maurerei grundlegende Schrift, die unter dem Namen der ?Alten Pflichten? vom Jahre 1723? allgemein bekannt ist. Am Schluss des geschichtlichen Teils dieser ersten Ausgabe erwähnte Anderson über die Geschehnisse von 1717 an nur sehr weniges. Er sagt lediglich: ?Die freigeborenen britischen Nationen hatten im Genuss des Friedens und der Freiheit in letzter Zeit dem glücklichen Sinn für masonry jeder Art sich stark hingegeben und die verfallenden Logen Londons wieder belebt; in der Metropole, wie an anderen Orten ständen verschiedene würdige Einzellogen in Blüte, die eine Vierteljahrsberatung und eine jährliche Hauptversammlung hätten, um darin die Formen und Gebräuche der sehr alten und ehrwürdigen Bruderschaft kläglich zu bewahren, die Königliche Kunst gehörig zu pflegen und den Kitt der Brüderlichkeit zu erhalten, so da? die ganze Körperschaft einem wohlgefügten Gewölbe gleiche. Edelleute, Geistliche und Gelehrte hätten sich den Pflichten unterworfen und tragen die Abzeichen eines freien und angenommenen Masons unter dem gegenwärtigen würdigen Großmeister, dem sehr edlen Herzog von Montage? Erst die Ausgabe von 1738 war dann ausführlicher, aber ihre Einzelheiten sind leider nicht sehr verlässlich. Am 17. Januar 1723 konnte der Großaufseher J. Timson das neue Konstitutionsbuch gedruckt vorlegen. Sie bestand aus „History“ und „Charges“ und von Payne geformten 39 „General Regulations“, also aus Geschichte, Pflichten und allgemeinen Verordnungen. Dazu kamen einige Lieder. „The Charges of a Freemason, extracted from the ancient records of Lodges beyond the Sea and of those of England, Scotland and Ireland. for the use of the Lodges in London to be read at the making of New Brethren or when the Master shall order it“. Symbolmaurerei war also noch immer mit Vorschriften für die Werkmaurerei verquickt. Denn noch hatte ja letztere sich nicht vollständig losgelöst. Aber viele derer, die die ? Alten Pflichten? in ihrer neuen Gestalt lasen, sahen auf den Grund; sie lächelten oder räsonierten über die „History“, aber sie erkannten den Geist der maurerischen Magna charta, den Willen, das Trennende beiseite zu lassen, das Sehnen nach der „Befreundung des Feindlichen“, die Abkehr vom Dogma, die Möglichkeit einer Synthese von Arbeit und Kontemplation. Vielleicht noch nicht gleich, als das Konstitutionsbuch in die Öffentlichkeit kam. Aber lange dauerte es nicht, bis der Samen aufging und der freimaurerische Gedanke seine Werbekraft erwies. Alle die, wie Comenius es einmal genannt hat. „Männer der Sehnsucht“ waren, fühlten sich von der neuen Baukunst angezogen, deren Baustoff nicht Holz, nicht Stein, nicht Erz und Mörtel, sondern Leben und Seele? sein sollte Es war nach August Horneffer („Der Bund der Freimaurer, 1913) förmlich so, als ob eine unsichtbare Macht die besten Auszuschließendem der verschiedensten Nationen und aller Geistesrichtungen in das Gehege dieser rätselhaften Arbeitsgilde trieb und eine noch weit stärkere Macht sie in ihr festhielt und bei allen Gegensätzen der Auffassung zu einer treuen Gesinnungsgemeinschaft zusammenschmiedete Schon 1725 verzeichnete die Loge „Römer und Trauben“ von bekannten Persönlichkeiten den Dissenterprediger Lord Paisley, den Physiker Sir Richard Manningharn, Mitglied der Royal Society, den Diplomaten Lord Waldegrave, den Grafen Albrecht Wolfgang von Lippe‑Backeb?rg, der dann später Friedrich den Großen auf die Freimaurerei aufmerksam machte Anderen Bauhütten gehrten der jüngere Lord Stanhope, der hervorragende Staatsmann und Schriftsteller, der Mediziner Dr. Beal, der Numismatiker Martin Folkes an. Der Herzog von Wharton, ein adeliger Tunichtgut schied bald im Unfrieden von seiner Großloge. Nicht genug damit gab er Anstoß zu einer Bildung, die gegen die Freimaurerei gerichtet war und die unter dem Namen Gormogonen die Freimaurerei verspottete. Dass in der jungen Großloge auch sonst nicht immer alles in schönster Ordnung war, beweist auch das berühmte Sittenbild des Großlogenfunktionärs William Hogarth, „Die Nacht“, das besonders die etwas überschäumende Lebensfreude der Logen geißelt. Unter adeligem Einfluss nahmen die Logen auch Gebräuche an, die an die Gepflogenheiten der hohen militärischen und zivilen Orden erinnerten. Dazu gehörten auch die feierlichen Aufzuge oder Prozessionen durch die Straßen Londons, die aber zu Gegendemonstrationen, den sogenannten Prozessionen der Mock Masons oder Scald Miserables führten, so dass, nachdem es 1744 sogar zu Pöbelexzessen gekommen war, die Großloge vorn öffentlichen Auftreten absehen musste. Auch von anderer Seite erfolgten Feindseligkeiten. Sensationell aufgemachte „Verräterschriften“, die der neugierige Menge allerlei aus dem Ritual mitteilten. Kamen in den Buchhandel. Als erste eine Art Katechismus: „The Masons Examination“ (erschienen 1723 in Flying-Post). Besondere Berühmtheit und reibenden Absatz erlangte das Pamphlet „Masonry dissected“ von Samuel Richard, das das vollständige Ritual enthielt und mancherorts (namentlich, als es in andere Sprachen übersetzt worden war) als Grundlage maurerischer Tätigkeit benutzt wurde Trotzdem wuchs die Großloge ständig weiter. Die gestochene Logenliste von Pine aus dem Jahre 1735 weist bereits 107 Logen auf, darunter Logen in Indien und auf dem europäischen Kontinent. Auch Werke ad extra werden schon begründet. So der Fund of Benevolence, der auf den Großmeister Dalkeith (1723-1724) zurückgeht und die Stiftung von Waisenhäusern, die schon 1739 angeregt wurde Allerdings darf man sich durch die hohen Logenzahlen in den ersten Jahren nicht täuschen lassen. Nicht alle Logen, die eingesetzt wurden, haben auch tatsächlich immer gearbeitet, und die Großloge hatte ihre liebe Not mit der Eintreibung von Logenbeiträgen u. a. m. Immerhin haben wir einen Einblick über die Ausbreitung der Freimaurerei des ersten Jahrhunderts, wenn wir die Ziffern der Logen heranziehen, die im Jahre 1814 in die Vereinigte Großloge eintraten. Von der durch diese Vereinigung beseitigten Spaltung soll gleich weiter unten die Rede sein. Die „Moderns“ traten in die Vereinigung ein mit 81 Logen in London und 277 im Lande Die „Antients“ mit 59 Logen in London und 127 im Lande Die Logen im Ausland waren bei den „Moderns“ mit 207 eingesetzt, hiervon mussten aber 1814 zahlreiche gestrichen werden, namentlich solche, die mittlerweile zu auswärtigen Großlogen abgewandert waren. Jedenfalls sprechen diese Zahlen für die große Ausbreitung der Freimaurerei innerhalb eines Jahrhunderts. Aber die Entwicklung der Freimaurerei hat auch in England, ihre schwierigen Jahre. Die zeitgenössischen Engländer hören es nicht gern, wenn man diese Periode als das Schisma bezeichnet. Trotzdem ist diese Bezeichnung in ihre eigene geschichtliche Terminologie eingegangen.