England ist das Mutterland der heutigen Zunftmaurerei. Zugegeben, dass Bauhüttengebräuche, die sich seit den Zeiten des Altertums in den Steinmetzvereinigungen, Akademien usw. herausgebildet hatten, von Frankreich und Deutschland aus nach England überführt wurden, so bleibt doch das eine bestehen, da? die besondere gebrauchtumsmäßige Form eines Männerbundes, der sich im Anschluss an die Steinmetzenbruderschaften entwickelt hat, von Schottland und den Templern ausgegangen ist. Da? die Zunftmaurerei in England aus bruderschaftlichen Verbänden hervorgegangen ist, den von Sonnenkalb zur Erklärung herangezogenen Trinity Guilds, steht wohl fest. Steinmetzengilden (Craft guilds) mit sehr alten Gebrauchen bestehen in England schon im 14. Jahrhundert. Darauf deutet das alte Regius-Manuskript, die sogenannte Halaliwell-Handschrift, die Ende des 14. Jahrhunderts verfasst ist, sowie Bauverträge, wie z. B. der von York 1352, in denen den Steinmetzen die Einhaltung ihrer „alten Gebräuche“ zugesagt wird. Sehr alte Bauhüttenordnungen sind bekannt aus Schottland, wo 1598 bis 1599 William Shaw, „der Lord Warden General of the Masons“, eine allgemeine Bauhüttenordnung und eine besondere für die Loge by the Kirk of Kilwynning (sic!) herausgab. Sind die Logen also ursprünglich Vereinigungen von Werkleuten zu einem bestimmten Bauzweck, daher z. B. die Loge „An der Marienkapelle zu Edinburgh“, so bestehen in ihnen oder neben ihren bruderschaftlichen Verbände, denen nicht nur die Werkgenossen, sondern auch deren Frauen und Witwen angehören. Eine derartige Gild of Masons ist beispielsweise aus Lincoln, 1380, bekannt. Hier ist auch der Zweck dieser Vereinigung genau ausgeführt. Die Freimaurer werden dort caementaru genannt. Die Bruderschaft umfasst die Fratres et sorores. Der Zweck der Vereinigung ist vor allem ein religiöser. Es werden Messen an bestimmen Tagen gelesen, Pilger unterstützt, es gibt Lichtspenden für die Kirchen, weshalb die verschiedenen Strafen wegen Nichteinhaltung der Satzungen auch in Pfunden Wachs taxiert sind, es gibt Armen- und Krankenunterstützung und schließlich wird dafür Vorsorge getroffen, da? jedes Mitglied eines kirchlichen anständigen Begräbnisses teilhaftig wird und für sein Seelenheil Messen gelesen werden. Diese Bruderschaften, die Company of Freemasons, sind in verschiedenen Teilen Englands nachweisbar. Am besten zu verfolgen sind sie in London, wo Conder ihre Geschichte auf Grund der noch erhaltenen Originalakten zusammenstellen konnte. Die erste Erwähnung der Freimaurer als einer City Guild geschieht 1376 unter Edward VI., wobei sie jedoch nur eine sogenannte Fellowship of Prescription war, d. h. eine mehr freiwillige Vereinigung, die vom König keinen Freibrief besag. Da? sie jedoch den inkorporierten Gewerkschaften oder Zünften gleichgestellt war, beweist der Umstand, da? sie 1472 das Vorrecht erhielt, ein Wappen zu führen. 1481 erhielt sie außerdem das Recht, eine besondere Zunfttracht, Livery, zu tragen. Dieses Recht ist enthalten in einer Ordnung, die den Namen „Ordinacio lathomorum“ trägt. Im 16. Jahrhundert hart nun die Bezeichnung Fellowship auf und wird durch den seither bleibenden Namen Society of Freemasons ersetzt. Erst 1677 erhielt sie „gegen eine freiwillige Spende“ von dem immer in Geldnöten befindlichen Karl IV einen königlichen Freibrief. Seit dem 17. Jahrhundert nachweisbar, wahrscheinlich aber schon früher treten in dieser Company Personen als Mitglieder auf die mit der Kunst der Steinmetzen selbst, also der Werkmaurerei, nur mittelbar oder überhaupt keine innere Beziehung haben. Es sind dies Geistliche, Personen, die vielleicht als adelige Patronatsherren zur Zunft in Beziehung standen. ferner Sohne von Zunftmitgliedern, die auf dem Weg des ?Patrimoniums? Mitglieder wurden. Diese Leute, die nicht immer Standespersonen gewesen sind, werden in London als angenommen, accepted. bezeichnet. Conder konnte nun nachweisen, dass sich im Schoße der Werkgemeinschaft eine besondere Gesellschaft absonderte, die als Acceptance oder Acception bezeichnet wird. Aus den Rechnungsbüchern der Londoner Company, die bis 1620 zurückreichen, ließ sich nachweisen, da? nicht alle Mitglieder der Zunft auch Mitglieder der Acceptance gewesen sind. Die Zahl der Angenommenen ist auch nicht übermäßig groß gewesen. In den Jahren 1620-1682 sind bloß 35 Namen verzeichnet, die auf „Nichtzünftler“ hinweisen (flylands). Die erste historisch belegte Aufnahme eines non-operative, also eines Nichtzünftlers, in eine Steinmetzengilde ist die eines Boswell of Auchinleck, die 1600 in Edinburgh stattfand. 1641 wurde der Generalquartiermeister der schottischen Armee Robert Moray, im Lager von Newcastle in eine Werkloge aufgenommen. Elias Ashmole erwähnt in seinem Tagebuch vom 16. Oktober 1648, 4 Uhr 30 p. m., da? er zu Warrington in Lancashire zum Freimaurer gemacht wurde Andernorts war die Teilnahme der Nichtzünftler eine stärkere Als z. B. die Loge in Aberdeen 1670 ihre Satzungen neu ausgearbeitet hatte, unterschrieben diese 59 Mitglieder. von denen jedoch nur noch sieben Werkmaurer waren. Diese Nichtzünftler, für die der Name Spekulatives, geistige oder Symbolmaurer, späterhin in die freimaurerische Terminologie eingegangen ist (sie nannten sich niemals so), gewannen somit die und an einzelnen Orten. Es wäre vollkommen verfehlt, wenn man in diesen Zusammenschlossen irgendwelche Bildungen zu höheren geistigen Zwecks, zu religiösen oder philosophischen, oder gar zu besonderen esoterischen Zwecken erblicken wollte. Personen, die mit einem Handwerk nichts zu tun dennoch ehrenhalber in eine Zunft aufgenommen werden, oder bei ihr aus geselligen Gründen Anschluss suchen, gehört zu den gesellschaftlichen Sitten England (So wird beispielsweise 1781 Hugh Percy, Herzog von Northumberland, in die Zunft der Fleischhauer aufgenommen, John Lambton wird 1813 Mitglied der Schmiede u. a. m.) Auch der Anreiz eines Mysteriums, eines besonderen Geheimnisses, ist ich nicht vorhanden gewesen. Das in alten erwähnte Mystery hat mit Mysterium nichts zu und bedeutet, ebenso wie Trade, Art, das Gewerbe (vom spätlat. misterium, frz. mestier [mätier), altenglisch mistere). Dass diese eigenartigen Vereinigungen, die sich unter besonderen Gebrauchen versammelten, ihre eigenen Erkennungszeichen hatten, in der Öffentlichkeit bekannt waren, also nicht etwa als Geheimbund auftraten, bezeugen zahlreiche Anspielungen in zeitgenössischen Werken. Randle Holm schreibt in seiner „Academy of Armorie“ I cannot but Honour the Fellowship of the Masons because of its Antiquity, and more, as being a member of that Society called Masons? (1688). Dr. Robert Plote (1651-1696) erwähnt in seiner „Natural History of Staffordshire“ die Craft of Masonry und sucht ihre Gebräuche zu schildern; in einem Studentenulk an dem Trinity College in Dublin (1688) werden die Freimaurer sogar verspottet und in der bekannten Zeitung „Tatler“ wird 1709 von einer Gesellschaft, Pretty Fellows, geschrieben: „Sie haben ihre Zeichen und Griffe wie die Freimaurer“. Das spricht dafür, dass die Freimaurer als Einrichtung schon so gut bekannt waren, dass sie als Vergleichsmoment mit bekannten Eigenarten heranziehen konnte.