Er ist der eigentliche Repräsentant der Loge, in ihm stellt sich die Loge dar. Das sollte bei der Wahl eines Bruders einer Loge zum M. v. St. von allen Brüdern sehr ernst berücksichtigt werden. Aber auch der Bruder, der durch das Vertrauen der Bruderschaft seiner Loge zu diesem bedeutenden Amt berufen worden ist, sollte sich durch sein Wesen und seine Haltung dessen bewusst sein, dass er vornehmlich durch seine geistige und moralische Qualifikation in dieses Amt gewählt worden ist. Mit der Repräsentanz allein ist es nicht getan. Nur ein Bruder, der durch seine Persönlichkeit eine gewisse Ausstrahlungskraft auf seine Brüder und durch sein Auftreten auch auf Außenstehende besitzt, vermag der hohen Stellung innerhalb einer Loge, die das Amt des M. v. St. auszeichnet, gerecht zu werden. Was erwarten die Brüder von ihrem M. v. St.?

Selbstverständlich ist es, dass er sich im Hausgesetz und in der Satzung seiner Loge auskennt; dass er die Verfassung und die Satzung der Großloge kennt und anzuwenden weiß. Dass er die Rituale beherrscht, die Ritualkunde kennt, alles dies Selbstverständlichkeiten. Die Brüder erwarten mehr, sie erwarten Führung, nicht im politischen Sinne, eher im theologischen, vielleicht im pädagogischen Sinn.

Die Bruderschaft erwartet einfach eine gewachsene Autorität der Person und nicht die erborgte Autorität des Amtes. Der M. v. St. muss befähigt sein, eine Diskussion im Bruderkreis sachlich zu leiten, muss ruhig und überlegen Meinungen anhören können, die seinen eigenen widersprechen, er muss überzeugen können. Der Orden muss Vertrauen zu ihm haben, denn ,,auf Vertrauen ist die Loge aufgebaut”, wie es im früheren eklektischen Ritual heißt. Er muss ausgleichen können und die Kraft haben, jederzeit die freimaurerische Ordnung in der Loge zur Geltung kommen zu lassen. Dazu führt er den ersten Hammer. Seinem Hammerschlag ordnen sich die Brüder ein, jedes Gespräch verstummt, jeder Widerspruch unterbleibt. Aber gerade weil dem M. v. St. in seinem Hammer die Kraft gegeben ist, das Maß der Ordnung jederzeit wieder herzustellen, muss er über sehr viel Takt und Fingerspitzengefühl verfügen. Wie könnte es anders sein, da sich die Bruderschaft aus Männern zusammensetzt, die sich bei aller Verschiedenheit der Charaktere und profanen Berufe doch in der Verfolgung der freimaurerischen Ziele einig sind. So ist der Begriff der ,,Ordnung”, wie er allgemein in der Freimaurerei aufgefasst wird, nicht mit jenem im staatlichen oder profanen Bereich einfach gleichzusetzen, er enthält vielmehr eine innere, fast metaphysische Verpflichtung, die besonders deutlich wird, wenn vom Tisch des 1. hammerführenden Meisters während einer Tempelarbeit der Ruf ertönt: ,,In Ordnung, meine Brüder!”

Warum erheben sich bei diesem Ruf die Brüder von ihren Plätzen und treten ins Zeichen? Doch nicht, um gewohnheitsmäßig einem Brauch zu genügen, den man ihnen einmal vorgeführt hat! Die Brüder sind mit diesem Ruf des Meisters vom Stuhl und dem begleitenden Hammerschlag aufgerufen, dass sie sich in die Ordnung der Loge und des Tempels einzufügen haben, und diese Ordnung ist die allumfassende Ordnung des Universums. Es heißt in der Erklärung des Arbeitsteppichs:

,,Der Tempel der Freimaurer erstreckt sich von Osten nach Westen, von Süden nach Norden und vom Okzident bis zum Nadir. Er ist ein Symbol des Weltalls“. Wenn wir uns zu gemeinsamer Arbeit in ihm versammeln, ordnen wir uns bewusst in die große Gesetzmäßigkeit des Universums ein.

Hier wird deutlich, wie sehr die organisatorische Ordnung eines Vereins hinter der metaphysischen Ordnung einer Loge verblasst. Dies zeigt sich auch darin, dass der M. v. St. im Tempel seinen Sitz im Osten hat, woher, wie es im Ritual heißt, ,,die Sonne den Lauf des Tages beginnt und die Welt erleuchtet: So steht auch der Meister im Osten, die Loge zu eröffnen, sie zu erleuchten und die Arbeiten anzuordnen.” Aus diesen Worten im Tempel gesprochen erhellt die besondere Bedeutung, die dem Amt des M. v. St. innerhalb der Loge zukommt. Darum ist das Abzeichen des M. v. St. auch das Winkelmaß, das als Symbol der Gewissenhaftigkeit anzusehen ist, mit der die Handlungen der Brüder nach dem Gesetz der Rechtwinkeligkeit, d.h. ,,nach Recht, Gerechtigkeit und Menschlichkeit” sich vollziehen sollen.

Als Meister vom Stuhl seiner Loge vertritt er seine Bruderschaft beim Konvent des Distrikts und der Grossloge.

Protokolle des Konvents sowie Mitteilungen der Großloge, wie sie im Stuhlmeister-Rundbrief der Großloge den Logen zugehen, muss der M. v. St. zur Kenntnis seiner Brüder bringen und sie entsprechend interpretieren.

Die Korrespondenz der Loge mit anderen Logen sowie der Großloge wird ausschließlich vom M. v. St. geführt. Er kann, um sich zu entlasten, gewisse Schriftsätze von seinem korrespondierenden Schriftführer aufsetzen lassen, unterschreiben aber und damit die Verantwortung für den Inhalt des Schreibens übernehmen muss der M. v. St. Dies ist alleiniges Recht und auch alleinige Pflicht des M. v. St. Dieser ist auch allein zur Führung des Logensiegels berechtigt.

Das Amt des M. v. St. ist ein ehrenvolles Amt, die Amtsdauer wird durch das Hausgesetz der Loge bestimmt. Es ist aber auch ein schweres Amt, das nur der Bruder übernehmen sollte, der es sich zutraut, den vielfältigen Aufgaben gerecht zu werden, die das Amt von ihm verlangt. Es ist sicher unrichtig zu sagen, das Gewicht einer Loge stehe und falle mit dem Gewicht ihres M. v. St. im übertragenen Sinne natürlich gemeint. Dennoch wird niemand bestreiten wollen, dass der M. v. St. sehr wesentlich zum Ansehen einer Loge beitragen kann.